Hab ich denn schon ein Problem? - Alkoholkonsum in der Grauzone
Nachts sind alle Katzen blau, ähm, grau ... .
"Wer ist eigentlich deine Zielgruppe?", fragt mich meine Freundin, als ich ihr begeistert von meiner Idee erzähle, einen Blog zu schreiben. Meine Zielgruppe? Gute Frage. Wen möchte ich denn eigentlich mit meinen Weisheiten erreichen? Sind es Frauen, die sich dem Sober Lifestyle verschrieben haben? Ja, schon. Wobei, die finden meine Seite vielleicht gut, aber denen kann ich nicht wirklich viel Neues erzählen. Sind es Frauen mit einem "Alkoholproblem"? Ja, die sicher auch. Aber auch die wissen oft schon sehr viel, dass ihnen vieles, was ich schreibe, banal vorkommt. Nein, ich möchte eigentlich vor allem die Frauen ansprechen, die sich - wie ich früher auch - in der Grauzone befinden. Also die, die vermeintlich sozial angepasst trinken, die sich auf dem schmalen Grat des Risikos bewegen, die möglicherweise schon ein Problem haben, es noch nicht wissen, aber vielleicht ahnen.
Was versteht man unter Gray-Area drinking?
Grauzonenkonsum beschreibt ein Trinkverhalten, das zwischen moderatem und problematischem Alkoholkonsum liegt. Das Trinkverhalten erfüllt noch nicht die Kriterien einer Suchterkrankung, ist aber dennoch potenziell schädlich. Personen in dieser Kategorie überschreiten regelmässig die empfohlenen Grenzwerte, ohne jedoch die typischen Merkmale einer Abhängigkeit wie Kontrollverlust oder körperliche Entzugserscheinungen zu zeigen.
Wer ist alles betroffen?
Ziemlich viele, würde ich sagen. In meiner Studentenzeit mit regelmäßigen Partys und ausgiebigem Feiern habe ich mich auf jeden Fall zu dieser Gruppe gezählt. Ja, definitiv. Wieso? Nun, erstens gab es, wie gesagt, viele Partys, bei denen der Alkohol in Strömen floss. Und bei diesen Gelegenheiten habe ich auch deutlich mehr getrunken als das damals geltende Limit von einem Gläschen Wein für Frauen. War ich dann betrunken? Oh ja! Aber nie so, dass ich mich zu leichtsinnigen oder gefährlichen Dingen hätte hinreißen lassen. So weit ist es nie gekommen, weil mir schon vorher schlecht war. Dafür hatte ich am nächsten Tag regelmässig einen Kater. Bin ich aufgefallen? Nein, sicher nicht! Die anderen haben ja noch mehr getrunken. Deshalb habe ich mir nie Gedanken über mein Verhalten gemacht. Ich war ja in guter Gesellschaft. Und das als Medizinstudentin. So viel zum Mythos, dass Ärzt*innen auf ihre Gesundheit achten.
Grauzonen-Alkoholkonsum betrifft oft Menschen, die auf den ersten Blick nicht zu den klassischen Risikogruppen gehören. Häufig handelt es sich um sozial gut integrierte Personen, die beruflich erfolgreich sind und ein geregeltes Leben führen. Betroffen sind vor allem:
- Berufstätige mit hoher Stressbelastung, Eltern oder pflegende Angehörige: Alkohol wird zur Entspannung konsumiert. Der Klassiker ist das tägliche Glas Wein am Abend als Ausgleich zum Alltag.
- Gesellige Menschen: Häufiger Konsum bei gesellschaftlichen Anlässen, ohne den Eindruck einer Abhängigkeit zu erwecken. Zum Beispiel ich während meines Studiums.
- Gewohnheitsmenschen: Alkohol ist fester Bestandteil von Routinen, z.B. das tägliche Feierabendbier.
Welche Risiken bestehen?
Auch wenn der Konsum in der Grauzone weniger dramatisch erscheint als eine Alkoholabhängigkeit, sind die möglichen Risiken ernst zu nehmen.
1. Schleichende Gesundheitsschäden
Bereits geringer, aber regelmäßiger Konsum kann nachweislich zu körperlichen Folgeschäden führen. Betroffen sind vor allem die Leber, das Herz-Kreislauf- und das Nervensystem. Studien belegen, dass chronischer Alkoholkonsum das Risiko für Fettleber, Bluthochdruck und bestimmte Krebsarten erhöht.
2. Psychische Abhängigkeit
Viele Betroffene entwickeln, ohne es zu merken, eine emotionale Bindung an den Alkohol, z.B. zur Stressbewältigung oder als "Belohnung". Dies kann ein erster Schritt in Richtung Abhängigkeit sein
3. Soziale und berufliche Folgen
Auch wenn der Konsum kontrolliert erscheint, kann es langfristig zu negativen Auswirkungen auf Beziehungen, Produktivität und allgemeines Wohlbefinden kommen.
4. Toleranzentwicklung
Die schleichende Erhöhung der Alkoholmenge, um die gleiche entspannende Wirkung zu erzielen, ist ein typisches Warnsignal.
Fazit
Graubereich-Alkoholkonsum ist eine unterschätzte Form des problematischen Trinkens. Obwohl er in der Gesellschaft oft als "normal" angesehen wird, birgt er erhebliche gesundheitliche und psychische Risiken. Es ist wichtig, den eigenen Konsum ehrlich zu reflektieren und gegebenenfalls frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um negative Folgen zu vermeiden.
Und woran erkennt ihr, dass ihr euch in einer Grauzone befindet? Was sind die Red Flags?
Hier sind 5 typische Anzeichen, die einen hellhörig machen sollten:
1. Regelmäßiges Trinken ohne Anlass
Ihr trinkt regelmäßig Alkohol, ohne dass es dafür ein klares "Bedürfnis" oder einen besonderen Anlass gibt. Es gehört einfach zur Routine, z.B. das Glas Wein nach der Arbeit oder das Bier beim Fernsehen.
2. Alkohol zur Stressbewältigung oder als Belohnung
Man trinkt Alkohol, um negative Gefühle wie Stress, Angst oder Langeweile zu lindern, oder man belohnt sich bewusst mit einem Drink, um den Tag ausklingen zu lassen.
3. Schwierigkeiten, vollständig auf Alkohol zu verzichten
Ihr fühlt euch unwohl oder irritiert, wenn ihr euch vornehmt, eine Zeit lang keinen Alkohol zu trinken, und findet Ausreden, warum eine Pause gerade "nicht passt".
4. Mehr trinken als geplant
Obwohl ihr euch vorgenommen habt, nur ein Glas zu trinken, trinkt ihr oft mehr. Das "eine Glas" wird schnell zur Flasche, ohne dass man es merkt.
5. Bagatellisieren oder Rationalisieren
Ihr rechtfertigt euren Konsum vor euch selbst oder vor anderen, z.B. mit Sätzen wie "Jeder trinkt doch so" oder "Ich bin ja nicht wirklich abhängig". Gleichzeitig fühlt ihr euch unsicher, ob euer Trinkverhalten normal ist.
Diese Anzeichen bedeuten nicht zwangsläufig, dass eine Abhängigkeit vorliegt, aber sie weisen darauf hin, dass sich der Konsum in eine gefährliche Richtung entwickelt. Eine ehrliche Selbstreflexion und gegebenenfalls der Austausch mit einer Fachperson können helfen, Klarheit zu gewinnen.